2016/04/25

Altenpflege - mehr als das!

An manchen Tagen raubt mir meine Arbeit sämtliche Energie. Heute war so ein Tag. Nicht die Tätigkeiten an sich sind es, die mich Kraft kosten. Es sind fast immer die emotionalen Faktoren. Ich begleite Menschen. Seit über 10 Jahren. Mit Pause und aktuell nur in Teilzeit. Dennoch. Ich begleite Menschen. Keine Patienten. Keine Nummern. Menschen. Welche mit unglaublichen Geschichten. Welche mit unglaublich viel Herz und Sinn für Humor. Ich wecke sie früh morgens, wähle den Deo-Roller statt des Deo Sprays. Ich benutze den Kamm statt der Bürste, obwohl die Bürste sicherlich effektiver wäre. Ich wähle die "Nivea" Creme, statt Tagescreme für das Gesicht. Weil diejenigen, die ich so früh morgens wecke, es zum Teil seit über 70 Jahren so gewohnt sind. Das Hinterfrage ich nicht. An diesen Tätigkeiten optimiere ich mein Arbeitstempo nicht. Ich begleite Menschen. Ich darf Teil ihres Lebens sein. Der letzten Jahre, der letzten Wochen. Und letztlich oftmals der letzten Tage.

Ich bin dankbar, das mich diese Arbeit gefunden hat. Wirklich. Es ist nicht nur ein Beruf. Tatsächlich fühlt es sich so an, als wäre es meine Berufung. Es ist in jedem Fall nicht einfach nur eine Arbeit. Es ist leben. Auf den letzten Schritten. Es ist ein Geschenk, jemanden so nah sein zu dürfen. Es erfüllt mich und macht mich glücklich, wenn ich jemanden ein Lächeln entlocken kann. Gerade an Tagen, an denen alles gegen die Wand fährt. Wenn beim Duschen die Duschhaube verrutscht ist, der Lieblingsbezug noch in der Wäscherei ist oder der verflixte Verband nicht halten möchte. Ganz genau an solchen Tagen ist es das Größte, wenn man am Ende doch darüber lacht. Gemeinsam. Denn ich bin nicht nur die Schwester, die kommt und versorgt. Ich bin ein Teil ihres Lebens. Für ein paar Stunden. Ein paar Tage im Monat.

Genau deswegen gibt es auch Tage, an denen ich erschöpft bin. Emotional ausgelaugt. So wie heute. Wenn man binnen weniger Stunden zwischen Hoffnung und Verzweiflung hin und her geistert. Wenn man nicht gehen will, weil man nicht alleine lassen möchte. Wenn man gemeinsam weint und an den Tatsachen für einen Moment zerbricht. Ja. Genau dann bin ich ziemlich leer.

Dieser Zustand ist nicht schlimm. Dieser Zustand ist das mindeste, was man einen Menschen schuldig ist, wenn man mit ihm lebt. Man darf wütend sein. Auf diese Tatsachen. Man darf weinen. Man darf verzweifelt sein. Man darf sich machtlos fühlen. Menschlichkeit darf niemals an der Professionalität scheitern. Nicht in meinem Berufsfeld. Niemals.

Heute war ein anstrengender Tag. Es werden noch viele weitere Folgen. Und nicht desto trotz sage ich aus tiefstem Herzen:

"Danke, dass ich Sie begleiten darf!"

 Müde.

Minensie

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