2015/12/10

Adventskalender #10

Jeden Tag öffne ich hier ein Türchen meines persönlichen Adventskalenders mit Rückblick auf das vergangene Jahr. Ein kurzer Moment des Verschnaufens. Zur Ruhe kommen. Sich besinnen.

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Türchen # 10

Bildquelle: http://www.franz-kafka.eu/zitate/


Wenn Du vor mir stehst und mich ansiehst, was weißt Du von den Schmerzen, 
die in mir sind und was weiß ich von den Deinen. 
Und wenn ich mich vor Dir niederwerfen würde und weinen und erzählen, 
was wüsstest Du von mir mehr als von der Hölle, 
wenn Dir jemand erzählt, sie ist heiß und fürchterlich. 
Schon darum sollten wir Menschen voreinander so ehrfürchtig, so nachdenklich, 
so liebend stehn 
 wie vor dem Eingang zur Hölle.

Franz Kafka
Brief an Oskar Pollak, 8. November 1903 

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Dieses Zitat aus dem Brief von Franz Kafka an Oskar Pollak begleitete mich im Jahr 2015 besonders. Nicht nur, weil meine Lieblingsmusiker dieses Zitat als Auftakt eines ihrer CDs gewählt haben oder gar weil ich grundsätzlich unsterblich in Franz Kafkas Werke verliebt bin. Nein. Gerade in diesem Jahr ist mir sehr deutlich bewusst geworden, dass man niemals mehr von jemanden weiß, als das, was man sieht. Und das was man sieht, ist nicht zwingend das, was einen Menschen ausmacht. Sich in Sicherheit zu wägen, weil man glaubt jemanden zu kennen, gehört somit zu einem großen Irrtum. Wenn nicht sogar zu einem der größten Irrtürmer überhaupt. Sich deswegen fortlaufend um jemanden zu bemühen, diesen nicht in Schubladen zu stecken und auch nach Jahren noch aufmerksam zuzuhören, dahinter zu schauen, bedeutet für mich den größten Respekt, dem man seinem Gegenüber entgegen bringen kann.

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Minensie 

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