2015/06/16

Liebe Neurodermitis - Brief II

Buenos Dias!

Vor einigen Tagen stiegen wir aus den Flieger. Unser Sonnenscheinbaby in einem hässlichen Kopfverband verpackt. Der Flug war wie erwartet ruhig. Unser Sonnenschein schlief beim Starten ein, wachte zweimal kurz während des Fluges auf und verschlief ebenfalls die Landung. Die Willkommensgarde betrachtete er dafür mit riesen Augen. Und natürlich einem Lächeln. Nach den ersten Schreckmomenten der lieben Verwandten, warum man das Kind denn in Verbände wickele, einer knappen Vorstellung deiner Person, Neurodermitis, und einer kurzen Autofahrt durch Havanna Stadt, kamen wir in unserem zu Hause an. Jetlag gab es beim Sonnenschein nicht. Bei dir wohl schon. Du schienst die ersten Tage völlig zu verpennen. Die Freude war groß. Aber natürlich machtest du dich immer wieder bemerkbar. Nur keine zu großen Hoffnungen, man habe dich in Deutschland vergessen. Dennoch. So gut ging es dem Sonnenschein selten und somit musste es dir endlich einmal schlecht gehen. ENDLICH!

 Siesta, ganz ohne Pucken

Wir wählten auch ausschließlich Dinge, die du bis heute nicht magst. Salzwasser, Kräuterbäder, ganz viel Luft. Es war wunderbar meinen Sonnenschein so bewegungsfrei zu sehen. Nachdem ihn keine sperrige Kleidung, keine sperrigen Decken und nichts dergleichen mehr hinderte, sich zu bewegen, begann er zu robben. Wir waren völlig aus dem Häuschen. Und Nachts - wir schliefen erstmals alle zusammen ausgeruht ein und durch. Kein Kratzen, dass uns weckte, keine Angst, die uns umhertrieb.

Hello again!

Nach fast 5 Wochen stiegen wir wieder in den Flieger. Der Rückflug war ebenso ruhig wie der Hinflug. Unser Sonnenschein verschlief einfach alles. Sehr unkompliziert. Und ohne Kopfverband.

Doch kaum das wir wieder einige Tage in Deutschland waren, bekamen wir dich wieder zu spüren. Aus Angst, wieder bei Null anfangen zu müssen, so wie wir es nach fast jeder nahezu abgeheilten Wunde mussten, vereinbarte ich einen Termin in einer Spezialklinik. Das schien dir gar nicht zu gefallen. Dem Kinderarzt im ersten Moment auch nicht. Eine halbe Stunde debattierte ich mit diesem, warum ich genau in diese Klinik wolle und nicht in eine, in der Kinder von ihren Eltern getrennt werden. Als Abnabelungsprozess, der für die Heilung wichtig sei, so hieß es in der Wunschklinik des Kinderarztes. Das wäre gefundenes Fressen für dich gewesen. Aber meine Liebe, ein bisschen kannten wir dich da ja schon. Ich beharrte auf unsere Wunschklinik und letztendlich bekamen wir das OK vom Kinderarzt, uns dort 3 Wochen lang die Welt neu erklären zu lassen.

Die Koffer von Übersee  waren noch nicht ganz ausgepackt, da packten wir sie auch schon wieder. Neukirchen am Heiligen Blut - das war unser Ziel. Und ich weinte bei der Ankunft, als ich all die anderen kleinen Patienten sah, als seien sie frisch aus einem Horrorfilm in Drehpause entsprungen.  Meine Wut über dich und deine Kollegen wurde erneut so groß. Hinzukam ein bisschen Hormonchaos. Denn unser Sonnenschein sollte nicht lange ein Einzelkind bleiben.
Etwas eingeschüchtert von all den Untersuchungen und Behandlungen ruhtest du dich ein paar Tage aus. Der Sonnenschein wurde von Kopf bis Fuß untersucht. Vom Blut bis zum Darm wurde alles genau gecheckt. Bei der Blutentnahme litt ich auch diesmal sehr. Vom Sonnenscheinbaby kam nicht mal ein Protest. Wir warteten. Und dann kamen sie. Erste Ergebnisse - keine Allergieklassen auf Lebensmittel. Gar keine. Alle bei 0. Und das, obwohl der Kollege des Kinderarztes so felsenfest überzeugt war, dass es nur die Milch sei. Ansonsten wurde angemerkt, dass der Sonnenschein einen fast grenzwertig hohen Vitamin D Gehalt hätte. Wie oft er denn das Vitamin D bekommen würde. Oh ja, da hab ich mich etwas geschämt, als ich gestand, dass der Sonnenschein das reine Vitamin D Öl nur... 3... 4 ... mal bekommen hätte. In den ersten Lebenswochen. Kuba schien alle Reserven zum bersten gefüllt zu haben. Es gab nirgends einen Hinweis auf dich. Außer auch hier wieder - kaum messbares Immunsystem und einen Histaminwert, über den man spekulieren konnte. Da ich dich weder im Blut noch in der Haut vermutete, sondern im Darm, war es die wohl größte Bestätigung, als genau dort der eigentliche Knackpunkt festgestellt wurde. Zu viele schlechte Darmbakterien, zu wenig Gute. Nach 9 Monaten permanenten in Frage stellens, den zich Tausend Aussagen verschiedener Ärzte war es mein tatsächlicher Triumph dir gegenüber. Ich hatte von Anfang an den Darm in Verdacht. Hatte mir daher vom Osteopathen Hilfe erhofft. Dich einfach rauskacken. Fertig. Aber so leicht war es dann am Ende nicht. Mit meinem Gefühl richtig gelegen zu haben, tat mir dennoch unsagbar gut. Mein erster wahrer Sieg über dich! Du! . !

Die 3 Wochen waren hart. Nicht wegen meines Sonnenscheinbabys. Wegen all den Geschichten, die man dort kennenlernte. Ich war bei jeder Behandlung so dankbar, dass mein Sonnenschein sich gegen nichts wehrte. Einfach alles mit sich machen ließ und dabei Spaß hatte. Mir brach es in den 3 Wochen so oft mein Mutterherz. Die anderen Kinder so weinen und schreien, strampeln und treten zu sehen. Diese armen Herzen. Warum nur müssen so kleine Wesen solche unglaublichen Lasten tragen. Deine Kollegen und du! Ihr seid die Pest!

Spaß beim Verbandswechsel muss schon sein



 Und in der Mittagspause sowieso

Doch wir lernten in den 3 Wochen auch sehr viel. Tagesstruktur zum Beispiel. Feste Schlafenszeiten, feste Essenszeiten. Man musste sich ja um nichts außer um die Behandlungstermine und dem pünktlichen Erscheinen zur Essensausgabe bemühen. 3 Wochen Zeit, dich von allen Seiten her zu überdenken, dich nicht nur zu hassen. Ganz langsam. Außerdem gab es einiges an Belohnung. Krabbeln, hochziehen und erste Laufversuche. Sowie die ersten beiden Zähne. 3 Wochen vollgepackt mit allem was das erste Babyjahr zu bieten hat.

Wieder daheim beschlossen der Herr von und zu Wuselzwergenpapa und ich etwas - in Zukunft ist keine Zeit für solche Spirenzien. Keine Klinikaufenthalte mehr wegen Superinfekten. Keine Sepzialklinik mehr. Keine Verbände, die täglich mehrfach gewechselt werden müssen. Keine offenen Wunden mehr. Wir beschlossen es einfach. Du warst wegen der vergangenen 3 Wochen etwas geschwächt, vermutete ich. Und ich glaube, dir wurde bewusst, dass wir Zeit haben. Mit allem was wir taten, um dich loszuwerden. Das schien dich wirklich mürbe zu machen. Zumindest hattest du seit der Spezialklinik nicht mehr die Oberhand.

Wir verließen die Klinik im besten Hautzustand überhaupt. Und das feierten wir gebührend. Der erste Geburtstag des Sonnenscheinbabys stand sowieso vor der Tür. Einzig unpraktische war, dass ich nach fast 3 Monaten außerhalb unserer Wohnung gar nicht mehr wusste, wen ich alles einlud, um das erste Jahr mit dir im Nacken zu feiern. Am Ende waren es 20 Erwachsene Personen. Aber es war schön und wichtig. Für mich. Wir feierten das Sonnenscheinbaby, die erstmals richtig gute Haut und all das, was wir geschafft hatten. Wir hatten dich in die Ecke gedrängt. Und das war das schönste aller Geschenke.



Ich schreibe dir bald wieder. Ganz zuende ist unsere gemeinsame Zeit noch nicht. Leider

Minensie



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