2015/03/04

Und plötzlich ist man alt

Hier ist grad ne Menge los. Und ich nach wie vor pienzig.

Doch dann bringt man die Kinder zum Kindergarten und wird völlig unerwartet beglückwünscht und umarmt. Nicht weil man Geburtstag hat. Oder eines der Kinder. Sondern weil ES Geburtstag hat.

Vor 10 Jahren entschloss ich mich, statt zukunftsloser Handyreperatur-Arbeiten mich einer sozialen Dienstleistung zu verschreiben. Ich unterschrieb mit Herzblut und das Herz blutete mir tatsächlich anfangs sehr, denn auf meinem Lohnzettel sollte in Zukunft nur noch gut die Hälfte stehen. Dennoch. Ich bereute nichts. Und ich bereue nichts.

Ich liebe meinen Beruf, würde ihn immer wieder wählen. Ich bin dankbar, nicht stupide in einem Büro zu sitzen und einen Monitor anstarren zu müssen, der am Ende auch etwas produktives von mir verlangt. Ich bin froh, mit meinen Händen arbeiten zu dürfen. Mit meiner Sprache, mit meinem Herz. Ich bin dankbar und unsagbar glücklich, dass ich mich nicht zu einer Arbeit zerren muss. Ich bin dankbar für ein grandioses Kollegenteam ohne das diese Arbeit einfach nicht zu schaffen wäre. Ich bin dankbar für so einige sehr wertvolle Menschen, die mir so viel zugetraut haben, als ich es nie für möglich gehalten habe. Die mich vorangetrieben haben, mich gefordert und gefördert haben.

Vor 10 Jahren änderte sich mein Leben. Ziemlich unvorhergesehen und vorallem sehr radikal. Plötzlich war da Alltag, plötzlich war da Normalität. Dinge, auf die ich mich verlassen konnte. Geld auf das ich mich verlassen konnte. Morgens um 5 Uhr aufzustehen um dann um 5:30 Uhr mit bester Laune durch winterkalte Luft zu spazieren, damit ich pünktlich eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn an meinem Arbeitsplatz war, störte mich ehrlich selten. Wenn ein Wochenende dazwischen lag, war es manchmal etwas mühselig klar. Aber dafür gab es immer eine Entlohnung. Etwas zum Lachen, natürlich auch zum Weinen, zum zusammen Leiden, Begleiten.

Meine ersten Demenzerkrankten werde ich sicherlich für immer im Herzen halten. Wenn wir morgens zur Toilette tanzten, weil das Laufen so schwer fiel oder ich durchaus verzweifelt im Kreis hinterherrennend Inkontinenzmaterial oder Kleidung wechselte (Danke dafür - unfassbar wie wichtig das im Alltag außerhalb der Arbeit mit 2 Kleinkindern geworden ist ... ehem..) Im Kreis rennend zu duschen war dabei die größte Herausforderung. Die Erfahrung, was Musik mit einem Menschen machen kann. Egal wie alt. Auch die Grenzerfahrung, das Altenheim nicht immer ein Heim für "Alte" ist. Wie gesagt, etwas zum Lachen und zum Weinen.

Meine erste Sterbebegleitung werde ich selbstverständlich auch niemals vergessen. Es war wegweisend. Würdig zu sterben ist ein so unglaubliches Privileg (leider - mit Ausrufezeichen)!

10 Jahre voller Erinnerungen. Wirklich schon 10 Jahre? Als ich die 30 knackte fühlte ich mich in keinster Weise alt. Heute, nachdem mir bewusst wurde das ich ein Jahrzehnt bereits an ein und dem selben Ort mit Herzblut arbeite, fühlte ich mich alt. Nicht unangenehm alt, aber alt. Ich habe vor diesen 10 Jahren nicht gerade wenig gearbeitet, behaupte ich. Es ist also nicht so, dass ich nur eine Arbeit kenne. Mit so einer Erfahrung muss Frau dann also doch irgendwie alt sein. Hm.

Zum Jubiläum gab es Blumen. Wunderschöne! Und bevor ich wusste, dass der heutige Tag ein Jubilar werden würde, feierte ich den Morgen schon so würdevoll mit leckerstem Frühstück, Crepe mit heißen Himbeeren, Vanilleeis und Sahne und tollen Gesprächen. Wunderbar!

Alt sein ist gar nicht mal so übel :D

Minensie

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